Forderungen zur Sicherstellung der Versorgung mit Blutplasma

 

Gemeinsam mit den Patientengruppen BAG Selbsthilfe, IGH e. V., Deutsche GBS/CIPD-Initiaitve e. V., Apha1 Deutschland und dsai halten wir zur dauerhaften Sicherstellung der Versorgung mit Blutplasma halten folgende Maßnahmen nach wie vor für dringend notwendig:

 

1. Aufklärungs- und Spendenkampagnen für Plasmaspender*innen

Die Bundes- und Landesministerien sollten zeitnah Aufklärungs- und Spendenkampagnen zur Mobilisierung der Plasmaspender*innen beauftragen und finanzieren. Ähnlich der Organspende oder der Aufnahme in die Knochenmarkspenderkartei ist die Spende von Blut und/oder Blutplasma ein unverzichtbarer Beitrag zur Gesund- heitsversorgung. Während zur Blutspende allgemein bekannte Aufklärungskampagnen laufen, gibt es zur Plasmaspende keine vergleichbaren Anstrengungen. Die diesbezüglich entwickelte Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist leider noch zu wenig bekannt und könnte auf Landesebene mehr genutzt werden.
Insgesamt sollten – ähnlich wie bei den Aufklärungskampagnen bei der Organspende - Anzeigen in Massenmedien (Funk und Fernsehen) geschaltet werden und durch Social Media Angebote ergänzt werden, um auch jüngere Menschen anzusprechen.
Es wird insoweit ausdrücklich bedauert, dass die Mittel für die geplante Mehrebe- nenkampagne der BZgA nicht bewilligt wurde; hier ist dringend Abhilfe von Nöten.

 

2. Europäische Lösungen vorantreiben

Aus unserer Sicht ist es dringend erforderlich, die Abhängigkeit Europas von Plasmaimporten, insbesondere aus den USA zu beenden. Bereits vor 25 Jahren ist die Notwendigkeit einer europäischen Selbstversorgung in Brüssel betont worden, passiert ist leider jedoch bisher nichts. Insoweit bitten die Unterzeichner das Bundesministerium für Gesundheit, auf europäischer Ebene eine Initiative zur 'Steigerung der Blutplasmaspenden' voranzutreiben. Einer der Hauptgründe für die geringe Spendebereitschaft in Europa scheint dabei zu sein, dass nur vier Länder eine finanzielle Aufwandsentschädigung der Plasmaspende erlauben; dies sind gleichzeitig diejenigen Länder, von denen der größte Beitrag an Plasmaspenden erfolgt (z. B. Österreich mit Entlohnung bei 75 Litern pro 1.000 Einwohner, Spanien ohne Entlohnung bei 8 Liter pro 1.000 Einwohner). Vor diesem Hintergrund wird insbesondere darum gebeten, sich dafür einzusetzen, dass andere Länder das dort geltende Verbot einer direkten finanziellen Aufwandsentschädigung für Plasmaspenden überdenken. Um dann das gewünschte Mehr an Spenden auch in Europa verarbeiten zu können, würden zudem auch mehr Standorte für die Herstellung der Medikamente aus dem Plasma in Europa benötigt.


3. Steigerung der Attraktivität der Plasmaspende

Ob sich Menschen zur Spende bereitfinden, hängt – wie bereits dargestellt – ganz entscheidend davon ab, wie und ob eine finanzielle Aufwandsentschädigung erfolgt und ob diese Möglichkeit der Plasmaspende überhaupt bekannt ist. Vor diesem Hintergrund bitten die Unterzeichner darum, die Möglichkeit von Aufwandsentschädigungen flexibler zu gestalten und Plasmazentren beschränkte Möglichkeiten zu eröffnen, auf eine solche Entlohnung hinzuweisen.
Soweit darauf verwiesen wird, dass es europarechtliche Regelungen gäbe, diese Aufwandsentschädigung zu begrenzen, so ist dies zwar aus unserer Sicht grundsätzlich zutreffend. Allerdings gibt es hier Spielräume, die in den Ländern unterschiedlich genutzt werden. Auch die entsprechende Regelung im Heilmittelwerbegesetz (§ 7 Abs. 2) verbietet ja nur die Werbung mit einem Betrag, nicht die neutrale Information über solche Aufwandsentschädigungen. Aus unserer Sicht könnte es helfen, hier den Plasmazentren Hinweise zu geben, wie sie auf die Aufwandsentschädigung aufmerksam machen können, ohne dass dies unter den Begriff der Werbung fällt (etwa Vermeidung einer werblichen Ausgestaltung des Hinweises durch eine besonders auffällige Schriftart).


4. Förderung von Plasmazentren und Gewinnung neuer Spender

Aus Sicht der Unterzeichner sollte geprüft werden, welche organisatorischen und administrativen Hürden abgebaut werden können, um die Errichtung zusätzlicher Plasmazentren zu befördern; so könnte etwa geklärt werden, ob die verpflichtende Anwesenheit eines Arztes im Plasmaspenderzentrum unbedingt notwendig ist oder ob ein Arzt auf Bereitschaft ausreicht.
Nach wie vor sind wir der Auffassung, dass geprüft werden sollte, ob Angebote von kostenfreien Gesundheits-Vorsorgeleistungen (z. B. Labortests), Arbeitsfreistellung und ggf. „Belohnungen“ wie Veranstaltungstickets bzw. diverse Gutscheine die Attraktivität der Blut- und Plasmaspende zu steigern. Die Diskussionen um die Impfstrategie gegen Covid-19 hat gezeigt, dass bereits kleine Incentives die Bereitschaft steigern können, sich impfen zulassen; aus unserer Sicht kann dies auch bei der Plasma-Spende eine Chance sein.
Begrüßt wird die Entscheidung, dass die bisherigen Kriterien auf Zulassung von Spendern dahingehend abgeändert wurden, dass über eine diskriminierungsfreie Zulassung (z. B. keine Rückstellung von MSM ohne sexuelles Risikoverhalten (MSM: Männer, die mit Männern Sex haben)) weitere Spender gewonnen werden können.


5. Keine Austauschbarkeit der Plasma-Präparate


Über die Frage der unmittelbaren Behebung von Engpässen hinaus möchten wir im Zusammenhang mit der Versorgung mit Blutplasma auch auf eine weitere Thematik aufmerksam machen: Aus der Sicht der Unterzeichner sind Plasmaproteintherapeutika zu komplex, um einfach wie ein normales Fertigarzneimittel ausgetauscht zu werden; jedes Immunglobulin- und Gerinnungsfaktor-Präparat ist ein einzigartiges biologisches Arzneimittel1 - oftmals ohne Alternative. Im Gegensatz zu chemisch basierten Pharmazeutika stammen diese IG-Präparate von einem biologischen Ausgangsmaterial (Humanplasma). Die in Deutschland von nur wenigen spezialisierten Herstellern angebotenen Immunglobuline und Gerinnungsfaktoren weisen jeweils ein einzigartiges biochemisches Profil auf und haben unterschiedliche therapeutische Wirkungen, basierend auf den individuellen Charakteristika eines jeden Patienten. Bei diesen Präparaten kann es daher aus der Sicht der Unterzeichner keine Generika oder Biosimilars geben.2
Mit dem GSAV hat der Gesetzgeber klargestellt, dass in Arzneimittelvereinbarungen nach § 84 Abs. 1 SGB V die Festlegung von Versorgungs- und Wirtschaftlichkeitszielen für biologische Arzneimittel nur die Gruppe der biotechnologisch hergestellten biologischen Arzneimittel betrifft, nicht die Gesamtheit aller biologischen Arzneimittel. Biologische Arzneimittel menschlicher, pflanzlicher oder tierischer Herkunft können folglich aus unserer Sicht nicht Gegenstand derartiger Arzneimittelvereinbarungen sein, damit sind dann auch Ausschreibungen für nicht biotechnologisch hergestellte biologische Arzneimittel ausgeschlossen.3
Gleichwohl enthält der Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung Bestimmungen zur Reihenfolge abzugebender Arzneimittel und dem Vorrang von Rabattverträgen, die auch für Immunglobuline gelten sollen; wir halten eine solche faktische Austauschbarkeit über einen Rahmenvertrag aus den genannten Gründen nicht für sachgerecht und bitten insoweit um Prüfung dieses Vertrages.
Die Möglichkeit, ein Aut-Idem-Kreuz zu setzen, hilft aus unserer Sicht bei den mit einem Austausch verbundenen Gefahren leider nicht, da viele Ärzte von dieser Möglichkeit nur sehr zögerlich – wohl wegen der Befürchtung eines Regresses – Gebrauch machen.

 

Quellen

1 Rebscher, Fischer, Hess, Wahn, Biotherapeutika in der Behandlung seltener Erkrankungen in: Moni- tor Versorgungsforschung 2/2020,nachfolgender Absatz zit: https://www.monitor-versorgungsforschung.de/Abstracts/Abstract2020/PDF-2020/mvf-0220/Rebscher
2 Rebscher u.a. a.a.O.
3 Rebscher u.a., a.a.O.