Reimportgeschäft wird auch für Gerinnungsfaktoren-präparationen möglich werden

Im Rahmen der bevorstehenden Verhandlungen zu Rabattverträgen auf Basis der Verträge zur ärztlichen Versorgung nach § 132 i SGBV zwischen gesetzlichen Krankenkassen und den bekannten pharmazeutischen Unternehmen (PU) werden entsprechend den EU Gesetzen auch re-importierende Unternehmen teilnehmen. Diese werden entsprechend den EU Gesetzen zahlreiche Gerinnungsfaktorenpräparationen bekannter PU´s aus anderen EU-Ländern, in der Regel Reimporte, auch an Apotheken und den Großhandel bereits ab dem 01.09.2020 vertreiben können. 

Reimporte sind Arzneimittel, die in Deutschland produziert und in andere EU-Länder exportiert wurden. Dort werden sie zu einem günstigeren Preis eingekauft und wieder nach Deutschland re-importiert. Weil sie im Ausland billiger sind als in Deutschland, kann der Re-Importeur sie zu einem Preis anbieten, der unter dem Produktpreis des direkt in Deutschland vertriebenen Präparates liegt. Diese Arzneimittel werden dadurch dem dortigen Markt des jeweiligen EU-Landes entzogen und dies kann unter Umständen zur Versorgungsenpässen führen.

Parallel importierte Präparate werden vom Hersteller in einem EU-Land produziert. So ist z. B. Irland aufgrund seiner niedrigen Unternehmenssteuersätze beliebt. Die Präparate werden dann in der Regel für die gesamte EU zugelassen und an die europäischen Tochtergesellschaften vertrieben.
Sind Präparate im Ausland günstiger als in Deutschland, kaufen Importeure diese im Ausland beim örtlichen Pharma-Großhandel ein und importieren sie nach Deutschland. Sowohl der Hersteller selbst als auch der Importeur importieren das Medikament also nach Deutschland.
Dieser Fall ist die Regel, denn Produktionskosten und Unternehmenssteuern in anderen EU-Ländern sind oft niedriger als in Deutschland. Sehr viele „deutsche Original-Präparate“ sind daher tatsächlich auch Importe. In dieser Form gilt dies (noch) nicht für die Gerinnungsfaktorenpräparationen.

Durch das (komplexe) Parallel- und Reimportgeschäft wird zusätzlich eine andere Tür geöffnet, die sich in einer Zunahme der Fälschungen in der regulären Lieferkette äußert. Zum einen aufgrund der »gängigen« Praxis des Umpackens zugelassener parallel-importierter Arzneimittel: Ein Arzneimittel, das zum Beispiel in Griechenland hergestellt wird, um in Deutschland (wegen der Preisdifferenz) teurer verkauft zu werden, muss umgepackt, eventuell zerschnitten, anders portioniert, umsortiert und mit deutschsprachigen Etiketten beklebt werden. Dadurch könnten die vom Originalhersteller aufgebrachten »fälschungssicheren, -schützenden« Maßnahmen zerstört werden. Zum anderen führt die zunehmende Anzahl von Groß- und Zwischenhändlern dazu, dass ein Arzneimittel, bevor es den Patienten erreicht, durch viele Hände an vielen Orten geht. Ein Vorbeileiten am eigentlichen Zielland und Verkauf in einem anderen Land, in dem höhere Preise locken, ist auch nicht ausgeschlossen. All dies beeinflusst die Versorgungssysteme, kann zu Engpässen führen und erhöht dadurch vor allem die Gelegenheit für das Einschleusen von Fälschungen.

Darum sollte nach wie vor jeder Hinweis von Patienten auf mögliche Qualitätsmängel auch bei diesen Waren sehr ernst genommen werden.

Zudem ist zu vermeiden, dass mögliche zukünftige Look-Back-Verfahren nicht gefährdet werden oder eine Chargendokumentation nicht mehr eindeutig möglich ist.

In diesem Zusammenhang verweist der BDDH auf folgende geltende Regelungen in den Arzneiversorgungsverträgen, u.a. vom VDEK und der AOK, die bei konsequenter Anwendung verhindern sollten, dass Gerinnungsfaktorenpräparationen von Seiten der Apotheken als Reimporte, z. B. Austausch auf Grund eines bestehenden Rabattvertages, zum Patienten gelangen:

§4 Abs. 12 des Arzneiversorgungsvertrages der vdek-Kassen

Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des Aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Verhältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substitution unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Arzt vermerkt hat, dass aus medizinisch­therapeutischen Gründen kein Austausch erfolgen darf.

Arzneiversorgungsvertrag AOKN, §4 Abs. 11

Hat der Vertragsarzt ein Fertigarzneimittel unter seinem Produktnamen und/oder seiner Pharmazentralnummer unter Verwendung des aut-idem-Kreuzes verordnet, ist dies im Ver­ hältnis von importiertem und Bezugsarzneimittel mangels arzneimittelrechtlicher Substituti­ on unbeachtlich. Dies gilt nicht, wenn der Vertragsarzt vermerkt hat, dass aus medizinisch­ therapeutischen Gründen kein Austausch erfolgen darf.

Weitere Infos sind auch nachlesbar unter:

https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apo-5pp/import-und-original-fallen-und-regeln/

Daher empfiehlt der BDDH ALLEN seinen Mitgliedern zukünftig auf Rezepten für Gerinnungsfaktorenpräparationen

„aus medizinisch ­therapeutischen Gründen kein Austausch“

schriftlich zu vermerken, insbesondere wenn bereits ab dem 01.09.2020 Patienten in den öffentlichen Apotheken ihre Rezepte „einlösen“ und spätestens wenn die ersten reimportierenden Unternehmen mit den Krankenkassen Rabattverträge geschlossen haben.